Wolfgang Schreyer und Brigitte Reimann: Eine Freundschaft in Briefen

24. Juli 2018   —   Vor wenigen Tagen wäre die Autorin Brigitte Reimann (1933-1973) 85 Jahre alt geworden. Aus diesem Anlass sind mehrere Bücher erschienen, darunter auch ein sehr umfangreicher Band mit dem Briefwechsel zwischen ihr und meinem Vater. Das Neue Deutschland schreibt dazu:

Ebenso politisch wie literarisch interessant ist der Briefwechsel, den Brigitte Reimann zwischen 1955 und 1972 mit ihrem Kollegen Wolfgang Schreyer führte. Die beiden lernen sich 1953 in der Arbeitsgemeinschaft Junger Autoren in Magdeburg kennen. Dem sechs Jahre älteren Schreyer gelingt schon ein Jahr später mit seinem Tatsachen-Roman »Unternehmen Thunderstorm« der Durchbruch. Er wird mit seinen Kriminalromanen und Polit-Thrillern zu einem der erfolgreichsten Autoren der DDR und erreicht Millionenauflagen.

Dabei setzt er sich mit Zivilcourage und List für Kolleginnen und Kollegen ein, die bei der SED in Ungnade gefallen sind. Er hilft Brigitte Reimann, die 1957 eine Verpflichtungserklärung für die Staatssicherheit unterschrieben hatte, um ihren Mann vor dem Gefängnis zu bewahren, bei der Dekonspiration und gegen die darauf folgenden Erpressungsversuche. Dieser mutige Schritt verbindet beide bis zu Reimanns frühem Tod, wovon ihr Briefwechsel ein anrührendes Zeugnis ablegt.

Die von Carsten Gansel und Kristina Stella aus dem Nachlass herausgegebenen Briefe widerlegen die pauschalen Urteile über »staatsnahe« DDR-Schriftsteller auf überzeugende Weise. »Ich möchte so gern ein Held sein, aber dazu reicht’s noch nicht«, schreibt Brigitte Reimann im September 1968 an Wolfgang Schreyer. Und der antwortet: »Schreib Dein Buch zuende!«

Das tut sie trotz aller Rückschläge und Schmerzen bis zum letzten Lebenstag. »Franziska Linkerhand« gehört heute zum Kanon der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. Wer wissen oder sich erinnern will, wie Frauen in der DDR der sechziger und siebziger Jahre gelebt und gekämpft haben, der muss diesen Roman lesen – oder wiederlesen.

Das Buch mit dem Briefwechsel erscheint im neuen Okapi-Verlag, der vom langjährigen Leiter des Aufbau Verlages, René Strien, gegründet wurde und laut dessen Auskunft „ein Vehikel sein will für Bücher, die publiziert werden sollten, aber nicht unbedingt von den etablierten Verlagen als notwendig angesehen werden“. Der kommerzielle Erfolg soll also nicht im Vordergrund stehen.

Das Buch ist direkt über den Verlag erhältlich. In einem Filmbeitrag hat der NDR es vor wenigen Tagen vorgestellt:

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Wolfgang Schreyer 1947: Was ist Demokratie?

14. Januar 2018   —   Vor wenigen Tagen habe ich die Arbeit an einem neuen Buch abgeschlossen, das im April erscheinen wird: „Die Angst der Eliten. Wer fürchtet die Demokratie?“ Während der Arbeit starb Ende letzten Jahres mein Vater, kurz vor seinem 90. Geburtstag, und mir fiel ein Aufsatz von ihm in die Hände, den er im Sommer 1947, im Alter von 19 Jahren, verfasst hatte. Die 13 eng beschriebenen Schreibmaschinenseiten tragen den Titel „Was ist Demokratie?“ Der Text ist nie veröffentlicht worden, vielleicht fand mein Vater ihn später nicht mehr gut genug, ganz sicher ist es schwer vorstellbar, dass er zu DDR-Zeiten publiziert worden wäre, da dieser Essay das westliche und das sowjetische politische System einander gegenüberstellt und beide kritisch betrachtet. Hier weiterlesen

Erinnerungen an Kurt Maetzig

Anmerkung: Dieser Text von Wolfgang Schreyer erschien zuerst 2012 im Magazin „Ossietzky“.

Von ihm wußte man: Er hat an der Sorbonne studiert, seine jüdische Mutter im Krieg verloren, danach die DEFA-Wochenschau mit dem Motto gestartet: »Sie sehen selbst, Sie hören selbst – urteilen Sie selbst.« Propagandistische Einfalt klingt anders. Er wollte stets erkennen, was die Welt im Innersten zusammenhält. Ihn zog es hin zu der neuen Gesellschaft, die im deutschen Osten entstehen sollte. Daß westwärts Altnazis wieder hoffähig wurden, ließ mögliche Zweifel am Kurs der DDR verblassen. Weiterlesen „Erinnerungen an Kurt Maetzig“